DOI: | https://doi.org/10.37307/j.1868-775X.2016.04 |
Lizenz: | ESV-Lizenz |
ISSN: | 1868-775X |
Ausgabe / Jahr: | 4 / 2016 |
Veröffentlicht: | 2016-12-06 |
In den beiden Aufsätzen „Ermahnung an die Deutschen“ und „Unvorgreifliche Gedanken“ entwickelt Leibniz seine Vorstellungen zum Zustand und zum notwendigen Ausbau der deutschen Sprache. In diesem Beitrag wird gezeigt, welche Themen Leibniz vorrangig behandelt, inwiefern er dabei aus dem zeitgenössischen Diskurs der „Spracharbeit“ im Umkreis der Fruchtbringenden Gesellschaft schöpfen konnte, wo er eigene Fokussierungen vornahm und weshalb seine Überlegungen wirkmächtig waren, während die Programmatik der Sprachgesellschaften im 18. Jahrhundert kaum mehr rezipiert wurde.
Leibniz’ Beschäftigung mit Sprachwissenschaft und Etymologie steht im Zusammenhang mit seinem Interesse an der Frage nach dem Ursprung der Sprache und der Beziehung zwischen dem Bezeichnenden und dem Bezeichneten. Die Frage nach der Stellung der Etymologie bei Leibniz führt mitten hinein in die Sprachphilosophie; wird zu einem für die Philosophie der Sprache zentralen Thema. Zwar entwickelt Leibniz ein umfangreiches lexikografisches Programm für die verschiedenen Varietäten des Deutschen, doch ist sein Interesse an der Etymologie eher sprachphilosophischer Natur; ein Lexikograf im engeren Sinne war er jedoch nicht. Für ein „Lexicon Etymologicon“ hat er Vorarbeiten geleistet, ausgearbeitet wurde es aber erst von seinem Mitarbeiter Johann Georg Eckhart.
Gottfried Wilhelm Leibniz plädiert in seinen der deutschen Sprache gewidmeten Schriften „Unvorgreiffliche Gedancken“ (1697) sowie „Ermahnung an die Teutsche“ (1682) für den konsequenten Ausbau des Deutschen zu einer nationalen als auch internationalen Wissenschaftssprache. Eines seiner Hauptargumente ist dabei die Möglichkeit einer Teilhabe aller Gesellschaftsschichten am wissenschaftlichen Diskurs im Interesse einer Steigerung der allgemeinen Wohlfahrt. Der Aufsatz untersucht einerseits Leibniz᾿ Argumente für den Gebrauch, die Entwicklung und die Verbreitung der Wissenschaftssprache Deutsch und spannt andererseits einen Bogen zur gegenwärtigen spiegelbildlichen Debatte, die Leibniz führte, des Deutschen als Wissenschaftssprache und seiner Rolle im internationalen wissenschaftlichen Diskursraum und diskutiert bereits offensichtliche wie mögliche Folgen der aktuellen Entwicklung.
Leibnizʼ Interesse an sprachlichen Fragen steht in unterschiedlichen Kontexten. So geht es ihm bei der Beschäftigung mit dem Deutschen um die Möglichkeit das theoretische Wissen an die Praxis und die Praktiker einer aufgeklärt modernen Gesellschaft heranzubringen. Bei der Beschäftigung mit der Entwicklung einer auf der klassischen Wissenschaftssprache Latein basierenden, aber vereinfacht-internationalisierten wissenschaftlichen Universalsprache ebenfalls darum, aber auch um eine übereinzelsprachliche Internationalisierung. Bei seinen abstrakteren universalsprachlichen Überlegungen leitet ihn das Interesse an einer möglichen Universalität der auszudrückenden Relationen – wie in einer mathematischen Modellierung – wie an der Frage möglicherweise universaler Bestandteile des einzelsprachlich („monadisch“) gebrochenen Blicks auf die Welt. Im Hinblick auf beide Aspekte dieser dritten Ebene stellte die chinesische Sprache als altes und im Vergleich zur europäischen Sprachenwelt alternatives Kodierungsmodell eine probate Möglichkeit zur Schärfung seiner eigenen Überlegungen und Konzepte dar.
Vermutlich in den Jahren 1682/83 schrieb Gottfried Wilhelm Leibniz die „Ermahnung an die Teutsche“. Im Jahre 1697 verfasste er die Schrift ‚Unvorgreiffliche Gedancken‘. Ziel dieser beiden Schriften, vor allem der „Unvorgreifflichen Gedancken“ ist es, das Deutsche zu einer vollwertigen Kultursprache zu machen. Noch ist das Deutsche nicht die Sprache der Gelehrten, sondern der Menschen, die sich mehr mit praktischen Dingen beschäftigen. Die Muttersprache soll sich allerdings ebenfalls zu einer Fachsprache entwickeln. Dazu bedarf es einer Terminologie. Um so weit zu kommen, sollen auch die Wortschätze der Dialekte und früherer Sprachstufen durchforscht und nutzbar gemacht werden.
Leibniz gilt als Universalgenie. Ein Genie sollte seiner Zeit voraus sein und wissenschaftsgeschichtlich zu einem frühen Zeitpunkt Gedanken und Betrachtungen anstellen, die weit in die Zukunft weisen. Der vorliegende Beitrag beleuchtet Leibniz’ Sprachbetrachtungen in seinen deutschsprachigen Schriften und stellt die Frage, inwiefern er vor über 300 Jahren varietätenlinguistisch relevante Gesichtspunkte schon thematisierte und in welchem Differenzierungsgrad. Es geht um eine Zusammenstellung und Deutung varietätenlinguistisch interpretierbarer Belege, die die These rechtfertigen, dass Leibniz im Kontext seiner Zeit eine besonders differenzierte Sprachbetrachtung artikulierte.
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